Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Spiritualität der Heiligen - Vorbemerkungen
Der Mensch als Alternder
Teresa von Avila († 1582), Gebet eines älter werdenden Menschen:
O
Gott, Du weißt besser als ich,
dass ich von Tag zu Tag älter
und eines Tages
alt sein werde.
Bewahre mich vor der
Einbildung
bei jeder Gelegenheit und zu jedem Thema
etwas sagen
zu müssen.
Erlöse mich von der Leidenschaft,
die
Angelegenheiten anderer ordnen zu wollen.
Lehre mich,
nachdenklich, aber nicht grüblerisch,
Hilfreich, aber nicht
diktatorisch zu sein.
Bei meiner ungeheuren Ansammlung von
Weisheit erscheint es mir ja schade,
sie nicht weiterzugeben -
aber Du verstehst
o Gott,
dass ich mir ein paar Freundinnen
erhalten möchte.
Bewahre mich vor Aufzählung
endloser
Einzelheiten und
verleihe mir Schwingen, zur Pointe
zu gelangen.
Lehre mich schweigen über meine Krankheiten
und
Beschwerden.
Sie nehmen zu – und die Lust, sie zu
beschreiben,
wächst von Jahr zu Jahr.
Ich wage nicht,
die Gabe zu erflehen, mir die
Krankheitsschilderungen anderer mit
Freuden
anzuhören, aber lehre mich, sie geduldig zu
ertragen.
Lehre mich die wunderbare Weisheit, dass
ich mich
irren kann.
Erhalte mich so liebenswert wie möglich.
Ich
möchte keine Heilige sein – mit ihnen lebt
es sich so
schwer – aber eine alte Griesgrämin
ist das
Krönungswerk des Teufels.
Lehre mich, an anderen Menschen
unerwartete
Talente zu entdecken, und verleihe mir,
o Gott, die
schöne Gabe, sie auch zu erwähnen.
[Digitalisat]
Lucie Christine († 1908):
"Du bist der Gott meiner Kindheit, die Deine Liebe stammelte. …
Du bist der Gott meiner ersten Kommunion, jener ersten lang und glühend ersehnten Begegnung. …
Du bist der Gott meiner Jugend …
Du bist der Gott meiner reifen Jahre. Schwäche und vorzeitige Krankheit ergreifen sie nun schon, aber Deine Liebe belebt und durchsonnt sie …
So wirst Du auch der Gott meines Alters sein, falls ich alt werden soll, der Gott meines Todes und meiner Ewigkeit.
Ja, ich vertraue, Du gibst mir Deinen Himmel, so wie Du mir ohne mein Verdienst bereits alles gegeben hast, und meine ganze Ewigkeit soll nicht zuviel sein, Dir zu lobsingen, Dich zu lieben, Dich zu preisen! (Juli 1896)
[Lucie Christine, Gabrielle Bossis, Geistliches Tagebuch, "… sich von ihm lieben zu lassen", ausgew. u. hrsg. v. Siegfried Foelz, Leipzig o. J.:
https://frauellie.wordpress.com/2013/05/23/lucie-christine-geistliches-tagebuch (13.04.2018)]
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 05.08.2025
korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet das Ökumenische Heiligenlexikon in der
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https://d-nb.info/1175439177 und https://d-nb.info/969828497 abrufbar.